Landkreis Gifhorn – kein sicherer Hafen

Nach einem Besuch bei einer Veranstaltung der Seebrücke in Gifhorn hat die Fraktion der Grünen beschlossen, auch einen Antrag zu stellen, den Landkreis Gifhorn als „Sicheren Hafen“ zu deklarieren.

Hier unser Antrag:

 
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen   Beschlussvorschlag Der Kreistag Gifhorn bekennt sich zu seiner Verantwortung, Menschen zu helfen, die durch Krieg, Verfolgung und andere Notlagen ihre Heimat verlassen haben und in Deutschland Zuflucht suchen. Der Landkreis Gifhorn hat mit der Unterstützung zahlreicher hauptamtlich und ehrenamtlich wirkenden Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen Jahren den Geflüchteten Obdach und Hilfe gewährt und wird dies auch in Zukunft tun.   Der Landkreis Gifhorn ist bereit, Geflüchteten im Rahmen der kommunalen Möglichkeiten Obdach und Hilfe zu gewähren, dies gilt auch für in Seenot Geratene. Unabhängig von den verschiedenen Positionen zur Asyl- und Migrationspolitik, die in diesem Kreistag vertreten sind, bekennt sich dieser Kreistag klar zum Menschenrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Der Kreistag setzt ein klares Zeichen der Menschlichkeit und Offenheit dieses Landkreises und seiner Menschen und deklariert den Landkreis Gifhorn zu einem „Sicheren Hafen“. Im Rahmen ihrer Möglichkeit nimmt der Landkreis Geflüchtete auf. Der Kreistag Gifhorn fordert die Vertreterinnen und Vertreter im Europaparlament, im Bundestag und im Niedersächsischen Landtag dazu auf, die sich für die Erreichung folgender Ziele einzusetzen:
–          Die Bundesregierung setzt sich weiterhin und verstärkt für die Rettung der Menschen im Mittelmeer ein.
–          Die aktive Behinderung der Seenotrettung durch die europäischen Staaten muss umgehend beendet werden.
–          Die europäische Staatengemeinschaft muss ihrer Verantwortung bei der Seenotrettung gerecht werden und darf sich nicht auf die Arbeit Dritter verlassen oder den Tod von Menschen billigend in Kauf nehmen.  Dieser Beschluss ist in anderen deutschen Landkreisen und Städten beschlossen worden, oft mit den Stimmen der SPD-Fraktion, durchaus auch mit der CDU.
In Gifhorn ist alles anders, hier der Beschluss:   Abstimmungsergebnis Bei 7 Ja-Stimmen, 39 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen abgelehnt.  

Warum? Hier Aussagen aus dem Sozialausschuss am 12.03.2019:

Frau Grete (SPD) und Frau Klopp (CDU) führen dazu aus, dass sie hier keine Zuständigkeit der Kreisverwaltung sehen, sondern das Europaparlament bei dem Thema gefragt ist.

Im Kreistag am 04.04.2019 hat es keine großen Änderungen in der Debatte gegeben:

Abg. Michel-Weinreich (Linke) begrüßt den Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Darüber hinaus verweist er auf einen offenen Brief von 250 Hilfsorganisationen an die Bundeskanzlerin im Rahmen dessen eine Neuausrichtung in der EU-Flüchtlingspolitik gefordert wird.

Abg. Klopp (CDU) berichtet aus der Beratung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Integration. Im Rahmen dessen habe man sich darauf verständigt, dass diese Angelegenheit nicht in die Zuständigkeit des Kreistages falle. 

Die Presse hat sich wegen dieser Abstimmung leider in Schweigen gehüllt, sogar ein Leserbrief der Bunt-statt-Braun-Gruppe ist in keiner Zeitung abgedruckt worden. Thomas Bollmann, einer der Aktivisten der Arbeit mit Geflüchteten, hat den SPD-Landtagsabgeordneten Philipp Raulfs angesprochen und wollte die Hintergründe des Abstimmungsverhaltens der SPD-Fraktion zusammen mit CDU, FDP, Unabhängigen und AfD wissen. Ich will die Antwort nicht vorenthalten:

Der Antrag wurde nicht aus inhaltlichen Gründen abgelehnt, sondern weil er als Antrag zum Thema Asylpolitik (des Bundes) nicht in die Zuständigkeit des Kreistages fällt.

Aus dem Protokoll der betreffenden Kreistagssitzung geht ausdrücklich hervor, dass die Grünen das Anliegen in Gifhorn im Gegensatz zum Hildesheimer Kreistag als Antrag und nicht als Resolution eingebracht haben. Das hört sich für Außenstehende erstmal nach einer Formalie an. Allerdings gibt es im ähnlichen Kontext seit Längerem Diskussionen mit der AfD-Fraktion. Diese stellt zu den Kreistagssitzungen eine Vielzahl von Anträgen, die ihrem Inhalt nach in die Zuständigkeit des Bundes oder Landes fallen (Einwanderung in Deutschland stoppen, Pflegekammern deutschlandweit auflösen etc.). Deshalb ist innerhalb des Kreistages dazu übergegangen worden, bei Anträgen, die nicht in die Zuständigkeit des Kreistags fallen, unabhängig davon, ob man sie der Sache nach unterstützenswert findet oder nicht, nur kurz darauf hinzuweisen, dass der Inhalt nicht zur Disposition des Kreistages steht und ihn deshalb abzulehnen.  

Es ist klar, dass dies beim vorliegenden Antrag schwer nachzuvollziehen scheint, da sich der Kreistag mehrheitlich einig sein dürften, dass die humanistische Intention des Antrages sehr wohl zu unterstützen ist. Allerdings würde man der AfD ins offene Messer laufen, wenn ihre Anträge mit der Begründung der fehlenden Zuständigkeit abgelehnt würden, diese Regel dann aber bei Anträgen mit deren Inhalt man mehr sympathisiert nicht anwenden würden.“

Was ist nur aus der alten SPD mit ihrem sozialen Bewusstsein geworden? Wir überlegen jetzt, wie wir hier weitermachen. Mittlerweile vergeht kaum eine Woche, in der nicht eine weitere Gebietseinheit den Beschluss fasst. Ich denke, dass es in absehbarer Zeit auch im Kreistag Gifhorn eine Mehrheit geben wird.

Klaus Rautenbach