Sehr geehrter Herr Landrat Heilmann,
die unterzeichnenden Kreistagsabgeordneten stellen folgenden Antrag zur Beratung im nächsten Kreisausschuss und Beschlussfassung im Kreistag am 11. Juni 2025:
Beschlusstext:
- Der Landrat als Schirmherr setzt eine Arbeitsgruppe ein, die sich mit Erinnerungsorten und dauerhaften Lernorten zum 2. Weltkrieg und zu den NS-Verbrechen im Landkreis Gifhorn beschäftigt. Diese setzt sich aus folgenden Mitgliedern zusammen:
- 5 Mitglieder aus der Politik.
- Bis zu 8 Mitglieder aus den Bündnissen für Demokratie, welche von diesen entsandt werden.
- Aus den weiteren Bereichen je 1 Mitglied: Wissenschaft, Heimatvereine, Volksbund, Kreisschülerrat, Kreiselternrat und Lehrerschaft des Landkreises.
- Diese Arbeitsgruppe hat den Auftrag, eine oder mehrere Publikationen zu Erinnerungsorten zu erstellen, die die Zeit des 2. Weltkriegs und die Verbrechen des Nationalsozialismus im Landkreis Gifhorn dokumentieren.
- Die Arbeitsgruppe finanziert sich aus Fördermitteln von „Demokratie leben!“. Dies umfasst etwa die Kosten für Publikationen und die wissenschaftliche Begleitung.
- Die erste Publikation ist ein kurzer Flyer. Dieser Flyer liegt in den öffentlich zugänglichen Liegenschaften (Schulen, KVHS, Museen …) des Landkreises aus. Flyer werden ebenso den Gebietseinheiten und interessierten Einwohner*innen des Landkreises kostenfrei zur Verfügung gestellt. Wünschenswert wäre auch die Erarbeitung einer Radroute entlang der Erinnerungsorte.
- Nach Absprache von Kreisverwaltung, Arbeitsgruppe und weiteren Beteiligten kann das Format fortlaufend betreut und weiterentwickelt werden – beispielsweise mit einer Website, die laufend ergänzt und aktualisiert wird; QR-Codes, die auf die Seiten dieser Website verlinken; Erklärungstafeln vor Ort; sowie gedruckte Publikationen.
Begründung:
In diesem Jahr jährt sich die Befreiung Deutschlands von der Terrorherrschaft der Nationalsozialisten zum 80. Mal. Auch der Landkreis Gifhorn war während der NS-Diktatur Schauplatz zahlreicher unmenschlicher Verbrechen, die auf einer rassistischen, nationalistischen und menschenverachtenden Ideologie beruhten. Die NS-Herrschaft führte zu systematischem Terror, Zwangsarbeit, Gewalt und Mord an unzähligen Menschen.
Trotz der im gesamten Kreisgebiet vorhandenen Erinnerungsorte und Gedenkstätten ist in der Gesellschaft eine zunehmende Relativierung und Verharmlosung der NS-Verbrechen festzustellen. Diese Entwicklung ist äußerst besorgniserregend, insbesondere in einer Zeit, in der nationalistische und revisionistische Tendenzen wieder an Zulauf gewinnen.
Mit den geplanten Publikationen zu Erinnerungsorten wollen wir dem entgegenwirken. Ziel ist es, den Einwohner*innen die folgenschwere Tragweite der menschenverachtenden Ideologie der Nationalsozialisten auch in unserem Landkreis bewusst zu machen. Gleichzeitig soll das Projekt dazu dienen, den Opfern dieser Verbrechen in Würde zu gedenken und das Bewusstsein für die historische Verantwortung wachzuhalten.
Anmerkung:
Die Publikationen der Arbeitsgruppe könnten beispielsweise folgende Orte dokumentieren:
- Ehemaliger Standort des „Ausländerkinderpflegeheims“ in Rühen: In dieser Einrichtung wurden während des Zweiten Weltkriegs Kinder von Zwangsarbeiterinnen unter oft katastrophalen Bedingungen untergebracht. Viele dieser Kinder überlebten nicht.
- Außenlager Krümme der Zuchthäuser Celle und Wolfenbüttel bei Wesendorf: Dieses Lager diente als Außenstelle der Zuchthäuser, in dem Häftlinge unter harten Bedingungen Zwangsarbeit verrichten mussten.
- Kriegsgräberflächen auf den Gemeindefriedhöfen: Diese Gräber erinnern an die Opfer des Krieges, darunter Soldaten und Zivilisten, die während der NS-Zeit ums Leben kamen.
- Geschichts- und Erinnerungstafeln auf den Friedhöfen in Rühen, Gifhorn, Dalldorf und auf dem Alten Friedhof Leiferde: Diese Tafeln informieren über die Schicksale der Opfer des Nationalsozialismus und halten die Erinnerung an sie wach.
- Informationstafeln zur Zwangsarbeit im Platendorfer Moor: Diese Tafeln dokumentieren den Einsatz von Zwangsarbeitern im Moorgebiet und die damit verbundenen Leiden.
- Gelände zur „Bunkererprobung“ in Ehra-Lessien: In diesem Gebiet wurden während des NS-Regimes militärische Bunker getestet, oft unter Einsatz von Zwangsarbeitern.
- Barackenlager bei Steinhorst: Dieses Lager beherbergte Zwangsarbeiter oder Kriegsgefangene, die unter schwierigen Bedingungen leben und arbeiten mussten.
- Gedenktafel für die Methanol-Opfer am Bahnhof Gifhorn Süd: Diese Tafel erinnert an die Menschen, die durch den Konsum von Methanol während der NS-Zeit ums Leben kamen.
- Ehemaliges Gerichtsgefängnis im Gifhorner Schloss (Max Habermann u.a.): In diesem Gefängnis wurden politische Gefangene und andere Opfer des NS-Regimes inhaftiert.
- In der Stadt Gifhorn und auf dem Diakoniegelände verlegte Stolpersteine: Diese kleinen Gedenksteine im Boden erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus, die in Gifhorn lebten.
- Erinnerungstafel an Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann an der Gifhorner Boxmühle: Diese Tafel ehrt den Sinti-Boxer, der von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurde.
Diese Orte sind wichtige Mahnmale, die an die Verbrechen des NS-Regimes im Landkreis Gifhorn erinnern und zur Aufklärung und Sensibilisierung beitragen.
Da wir sicher sind, dass es weitere, weniger bekannte Orte gibt, die mit den Verbrechen der NS-Diktatur in Verbindung stehen, ist es wichtig, dass die Arbeitsgruppe fortlaufend an den Erinnerungsorten im Landkreis arbeitet und neue Erkenntnisse zukünftig einfließen.
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Michel-Weinreich
Christian Schroeder
Brigitte Brinkmann
Ottmar Bartels
Jörg Bialas
Pesi Daver
Dr. Arne Duncker
Inge Elvers
Frank Engeler
Anna-Lena Fischer
Gerda Grete
Andreas Hoffmann
Stefan Konrad
Karin Loock
Anja Menzendorf
Jan-Phillip Meyer
Beate Morgenstern-Ostlender
Christina Petzold
Philipp Raulfs
Anke Reinemann
Jenny-Kornelia Reissig
Jan Schwarz
Tim Stein
Karen Wachendorf
Gunter Wachholz
Nicole Wockenfuß
Rüdiger Wockenfuß
Henrik Werner