Schützenfest Gifhorn

Diskriminierungsfreie Schützenordnung mit Tradition

Rede Dustin Rösemann Ratssitzung Stadt Gifhorn 17.06.2024

Dustin Rösemann
Dustin Rösemann

Wie kommen wir denn jetzt elegant von der Debatte über die Eckwerte des kommunalen Haushalts zum Schützenfest?

Da wäre zum einen der wichtige Hinweis, dass es hier im Fachbereich Kultur, wie bei allen anderen Ausgaben, um freiwillige Leistungen der Stadt Gifhorn geht. Trotz der notwenigen Haushaltsoptimierung im letzten Jahr habt der Rat hier sogar die Aufwendungen erhöht (trotz sinkender Erträge). Man kann also sagen: sogar im Vergleich zu vielen andern freiwilligen Leistungen hat das Schützenfest als Fest der Stadt Gifhorn, einen besonderen Stellenwert!

Besonders auf Grund dieser wichtigen Stellung des Schützenfestes in der Stadt Gifhorn und im Kalender einiger Einwohner:innen hat der Rat der Stadt Gifhorn dann am 29.01. diesen Jahres zusammen mit dem Haushalt beschlossen (30 Ratskolleg:innen dafür und nur eine Enthaltung), dass die Verwaltung mit den Schützenkorps eine neue Schützenordnung erarbeiten solle. Dies ging auf die Initiative der Gruppe Bündnis90/Die Grünen und DIE FRAKTION zurück.

Halten wir also fest: es gab eine sehr, sehr große Mehrheit FÜR eine Veränderung der Schützenordnung die ja im Laufe der Geschichte schon oft geändert wurde.

Nachdem die Stadtverwaltung sich juristisch beraten lassen hat fand sich am 17. April diesen Jahres eine Arbeitsgruppe aus Rat, Verwaltung und vielen Schütz:innen statt. Dort wurde über die verschiedenen Varianten angeregt diskutiert und Herr Nerlich hat den Vorschlag wie er heute hier als Verwaltungsvorlage vorliegt vorgestellt. Das ist alles öffentlich bekannt.

Ebenso ist es öffentlich bekannt geworden, dass von allen Seiten keine Änderungsvorschläge gab – sicherlich kein einfacher Kompromiss, doch an dem Nachmittag waren sich fast alle einig.

Die Stadt Gifhorn darf keinen Wettbewerb ausrichten, welcher lediglich von einer Personengruppe gewonnen werden kann, das sagt die juristische Prüfung.

Umso befremdlicher empfinde ich es dann, wenn im Nachhinein eine neue Arbeitsgruppe aus der Mehrheitsgruppe gegründet wird, die diesen gefundenen Kompromiss nun mit einem unglaublich weitgehenden Vorschlag komplett über Bord wirft. Das ist politisch fragwürdiges Verhalten und hat den Konflikt völlig unnötig angeheizt! Hinzu kommt, dann man mit diesem Bürgermeister in den Rücken fällt und im Vergleich zur noch aktuellen Schützenordnung so gut wie alle Traditionen die das Schützenfest in Gifhorn so besonders gemacht haben, ersatzlos gestrichen werden.

Sollte der Antrag der CDU/SPD heute eine Mehrheit finden, wird wahr, was viele schon immer dachten und wie es auch in der Zeitung zu lesen war: Das Schützenfest wird von den Schützen alleine gestaltet. Doch das ist (bis heute) ja gar nicht wahr! Es ist traditionell ein Fest der Stadt Gifhorn für ALLE Einwohner:innen welches zusammen mit dem Rat der Stadt (als Vertretung der Einwohner:innen) und den Schützencorps sehr aufwendig und bei Berücksichtigung vieler Traditionen gestaltet wird. Daher wird es ja finanziell und organisatorisch auch so eng von der Stadtverwaltung begleitet und dankenswerter Weise von vielen, vielen Schütz:innen und in stundenlanger ehrenamtlicher Arbeit mit Leben gefüllt.

Bei dieser Herleitung möchte ich noch erwähnen, dass es auch schon 1975 falsch war die Schützenordnung in dem Sinne zu gendern, dass fortan nur noch Männer am Königsschießen teilnehmen könnten. Das Stadtarchiv kennt mehrere Versuche – zuletzt von der SPD in den 90er Jahren – dies wieder rückgängig zu machen bzw. an die Zeit anzupassen.

„Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“ – dieses Zitat von Johann Christoph Friedrich von Schiller ist noch älter als die erste Gifhorner Schützenordnung und hat doch an Bedeutung nicht verloren.

Ich bin selbst fast mein ganzes Leben lang in einem Traditionsverein aktiv. Davon auch viele, viele Jahre in leitenden Positionen.

Mir ist also bewusst, was es für Vereine bedeutet, sich mit sich selbst und den eigenen Werten und Traditionen zu beschäftigen.

An dieser Stelle möchte ich den vielen (nicht nur Schützinnen) danken, die seit Jahren in mühsamer Arbeit versucht haben, die Situation von innen zu verbessern bis man ihnen sagte „dafür ist die Stadt zuständig“ – jetzt wird die Stadt tätig und ändert die eigene Verordnung und das ist auch wieder nicht richtig. Es wurden leider viele Gelegenheiten verpasst die eigenen Traditionen an die Zeit anzupassen.

Tradition ist jedoch an sich noch kein Wert, sondern es geht um die stätige Neuanpassung dieser Traditionen – keiner würde doch erwarten, dass auf dem Schützenfest die Originalwaffen aus der Zeit der ersten Schützenordnung verwendet würden…

Das Motto „Eintracht und Bürgersinn“ ist wirklich zeitlos schön. Es sollte in diesem Jahr in dem Sinne mit neuem Leben gefüllt werden, dass noch mehr Menschen gleichberechtig am Königsschießen teilnehmen können!

Wie jede und jeder hier im Raum habe auch ich verschiedene Berührungspunkte mit dem Schützenfest in Gifhorn – als Kind und Jugendlicher jedoch ausschließlich mit dem Rummel.

Mit dem Schützenwesen gab es in meiner Familie keine Berührungspunkte, sodass ich erst als Ratsherr das erste mal an diesem „anderen“ Schützenfest teilgenommen habe. Ich denke so geht es vielen, denn das Schützenfest ist alles andere als eine inkludierende oder inklusive Veranstaltung – doch das sollte ein Stadtfest doch sein, oder?

Ein Ratskollege (selbst Schütze) meinte das Schützenwesen sei „elitär“ ein anderer bezeichnete teilnehmende Ratsleute – welche ja die Stadtgesellschaft repräsentieren sollen und auch Ausrichter sind – als „Schmarotzer“. Was ist das denn bitte für eine Haltung die aus solchen Worten spricht!?!

Das ist ganz, ganz sicher nicht das traditionelle Verständnis!

Die Eintracht und der Bürgersinn haben sich in den letzten zwei Jahren meiner intensiven Teilnahme am Schützenfest dennoch mehrmals in Frage gestellt: Sowohl ehemalige Ratsleute als auch einige Schützen wollten mich auf „ihrem Schützenfest“ nicht dabeihaben und sind dabei nicht nur beleidigend geworden. (Sowas passiert mir auf keiner anderen Veranstaltung!)

Es bleibt also spannend wie sehr sich der Ton in diesem Jahr verschärft haben wird. Die vielen Falschinformationen, die nachwievor kursieren, lassen böses erahnen…

Kommen wir zu meiner Zusammenfassung:

Mit der Verwaltungsvorlage würde sich im Grunde genommen nichts an unserem traditionellen Schützenfest ändern außer, dass nun mehr Menschen am Königsschießen teilnehmen dürfen – und das kann ja nur ganz im Sinne von „Eintracht und Bürgersinn“ sein“!

Diesen Ansatz verfolgt auch der Änderungsantrag von Bündnis90/Die Grünen, der gleich noch in die Debatte eingebracht wird.

Mit dem Änderungsantrag der CDU/SPD wird aus der sich ursprünglich mal gewünschten „diskriminierungsfreien“ Schützenordnung eher eine „traditionsfreie“ Schützenordnung.

Ich wünsche uns dennoch eine sachliche und lösungsorientierte Debatte und ganz besonders ein schönes, traditionelles und vielfältiges Schützenfest für ALLE Gifhorner:innen!

Herzlichen Dank.

Bleibt es dabei, dass alle Bürgerinnen und Bürger schießen dürfen oder schießen in Zukunft nur die Schützinnen und Schützen?

Wie sieht es in Zukunft mit den Ratsmitgliedern aus?

Dürfen nur Gifhornerinnen und Gifhorner aus der Kernstadt schießen oder auch andere?

Gibt es überhaupt noch die Kernstadtregelung?

Die beiden Schützenvereine, die aufgrund ihrer historischen Bedeutung für unsere Stadt bisher eine rechtlich herausgehobene Stellung unter den Vereinen hatten, würden durch den Antrag von CDU und SPD rechtlich auf eine Stufe mit allen anderen Vereinen in unserer Stadt gestellt, z. B. Sportvereinen, Gesangsvereinen usw. gleichgestellt. Die Schützenvereine verlieren damit ihre historisch gewachsene Sonderstellung in unserer Stadt. Das scheint der Wunsch der Vereine zu sein, aber ist es auch der Wunsch unserer Bürgerinnen und Bürger der Stadt Gifhorn, die wir heute hier als gewählte Ratsmitglieder vertreten?

Wir von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/DIE FRAKTION wollen die historisch gewachsene und rechtliche Sonderstellung der Schützenvereine in unserer Stadt weiterhin erhalten.

Sie sehen, es geht nicht nur um ungeklärte Fragen, sondern insbesondere auch um die zukünftige Stellung der Schützenvereine und der Majestäten.

Uns geht es um eine diskriminierungsfreie Schützenordnung mit Tradition.