Leichtfertige Nutzung von Zoom & Co.

zoom mir mal DSGVO und digitale Souveränität

DSGVO-Konformität und digitale Souveränität am Beispiel von Videokonferenzsystemen

Ein Kommentar von Norbert Schulze

Wenn ich an beliebiger Stelle lese oder höre: „… wegen der DSGVO müssen wir dies machen, dürfen wir das nicht mehr machen oder lassen wir alles sein…“ dann stellen sich bei mir die Nackenhaare auf. Die im Jahr 2016 in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung entspricht in großen Teilen dem bis dahin gültigen Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Als 2018 die DSGVO endgültig rechtlich Wirksamkeit erlangte, gab es dann noch einmal einen großen Aufschrei von sehr vielen Leuten. Offensichtlich hatten die bis dahin zwei Jahre gepennt!

Die DSGVO ist sinnvoll

Wo im großen Stil Daten zu Gold gemacht werden, da müssen konsequent Datenschutzverstöße geahndet werden. Panikmache hat 2018 dazu geführt, dass aus Angst reihenweise kleine private Webseiten vom Netz genommen wurden. Als wenn der/die Landesdatenschutzbeauftragte nichts Besseres zu tun hätte, das Web-Impressum von privaten Modeblogs oder Sportvereinen zu kontrollieren. Es geht also um die großen Fische und damit hat die Kontrollbehörde mehr als genug zu tun.

Warum wir digital abhängig bleiben

Dennoch gibt es einen wichtigen Aspekt der DSGVO, den auch Privatpersonen direkt beeinflussen. Ich halte es für kurios, wenn man sich über Deutschlands oder Europas strenge Richtlinien aufregt, und währenddessen scheinbar kostenlose Dienste der großen Datenkraken nutzt. Damit verliert man nicht nur die Hoheit über seine Daten, es festigt ebenso die Abhängigkeiten gegenüber außereuropäischen IT-Konzernen. Wir können zwar IT nutzen, aber die Entwicklung bzw. die Richtung wird woanders vorgegeben. Kann man Europa bereits als digitale Kolonie bezeichnen? Wird auch uns eines Tages ein US-Präsident mit der Abschaltung von wichtiger IT-Infrastruktur erpressen können?

Pragmatismus als Argument

Oft hört man dann das Argument, es gibt doch nichts Anderes auf dem heimischen Markt oder es wäre zu umständlich. Ganz schlimm finde ich die Ausrede, wenn ich Produkt X nehme, dann muss ich mich ja nicht rechtfertigen, wenn etwas schieflaufen sollte. Ich kann dann immer sagen, was hätte ich sonst nehmen sollen. Die Angst sich rechtfertigen zu müssen, ist für viele mutlose konservative Entscheidungen in unserer Gesellschaft verantwortlich. Sei es nun bei der Anschaffung von ökologisch unsinnigen Verfahren und Gütern, aber auch bei der Vergabe von Führungsaufgaben.

Zoom mir mal DSGVO und digitale Souveränität

Als konkretes Beispiel führe ich hier mal die unüberlegte Nutzung der Videokonferenz-Software Zoom an. Innerhalb kürzester Zeit hat das US-Unternehmen eine derartige Abhängigkeit generiert, die ich einfach erschreckend finde. Selbst bei uns Grünen kommt diese Software zum Einsatz, obwohl es DSGVO-konforme Alternativen aus eigenen Reihen gibt. Wenngleich man den eigenen Leuten keine Zuverlässigkeit zutraut, dann könnte man doch zumindest einen heimischen professionellen Dienstleister nehmen! Die gibt es nämlich sowohl für Jitsi als auch für Big Blue Button! Beides sind gute freie Alternativen, ohne dass sich die Nutzer:innen eine nicht nur in meinen Augen sehr zweifelhafte Software wie Zoom auf ihren Endgeräten installieren müssen.

Zwischen nicht können und nicht wollen ist oft nur ein schmaler Grad

Die Umstellung auf DSGVO-konforme und Freie Software in heimischen Landen scheitert nicht selten am fehlenden Mut der entscheidenden Personen und an dem Unwillen, sich auf neue Dinge und Arbeitsweisen einzulassen. Weshalb ausgerechnet im sensiblen IT-Bereich ein hohes Maß an Pragmatismus gefordert wird, bleibt mir ein Rätsel. Deutschland und Europa muss sich aus der IT Abhängigkeit emanzipieren, sonst spielen wir auch wirtschaftlich einmal eine untergeordnete Rolle. Unabhängigkeit kann mit OpenSource in der Gemeindeverwaltung anfangen. Aber auch die Corona-Warn-App hat im letzten Jahr der Welt gezeigt, was digitale Souveränität bedeuten kann.

Der Autor Norbert Schulze arbeitet als IT-Administrator bei einem größeren mittelständischen Unternehmen mit Hauptsitz in Wolfsburg. Seit 2005 organisiert er die Linux User Group Wolfsburg und engagiert sich für Freie Software und digitale Souveränität. Er ist Mitglied bei Netzbegruenung und langjähriges Mitglied der deutschen Wikimedia.