Fahrbahnerneuerung Celler Straße

Dr. Hagen Schink – Rede zum Haushalt

Es gilt das gesprochene Wort

Anrede

Sie werden es mir nachsehen, dass ich an dieser Stelle auf die Investition 23.003 „Fahrbahnerneuerung Celler Straße“ eingehe, denn die Öffentlichkeit wurde meiner Einschätzung nach nicht über die Verschwendung von öffentlichen Mitteln, die mit der Investition für die Celler Straße einhergeht, informiert. Und das ist im Lichte eines defizitären Haushalts sicherlich nicht uninteressant.

Dabei möchte ich insbesondere Bezug nehmen auf die Planung für den Radverkehr. Wobei ich anmerken möchte, dass auch die Planungen zum Fußverkehr keiner kritischen Betrachtung standhalten.

Aber zum Radverkehr: Zunächst ist festzustellen, dass die Verwaltung nicht in der Lage war, aus den Nachteilen der bisherigen Planungen ihre Lehren und entsprechende Konsequenzen zu ziehen. So finden wir erneut in der Planung Mittelinseln als Querungshilfen für den Fußverkehr. Dabei wissen wir aus den Erfahrungen mit dem Radfahrstreifen Gamsen-Kästorf, dass es an diesen Mittelinseln immer wieder zu gefährlichen Überholmanövern durch den Kraftverkehr kommt. Um dem zu entgehen, soll laut Planung für die Celler Straße der Radverkehr auf den nicht benutzungspflichtigen Radweg ausweichen und wird dann am Nettomarkt in den Wartebereich der Haltestelle Walkeweg geführt. Ich habe noch nie davon gehört, dass der Kraftverkehr in den Wartebereich einer Haltestelle geführt worden ist. Warum die Verwaltung denkt, dass so etwas für den Radverkehr attraktiv wäre, bleibt ihr Geheimnis. Ich bin dafür diese Art Zusammenführung von Fuß- und Radverkehr „Rad-Dschihad“ zu nennen. Vielleicht führt das zu einem Umdenken bei den Planer:innen. Auf der anderen Seite ist diese Art Planung für eine „C“DU-geführte Verwaltung nicht ungewöhnlich, da sich nun die schwächeren Verkehrsteilnehmer:innen untereinander um den ihnen zugestandenen knappen Verkehrsraum streiten können, während der Kraftverkehr ungestört vorbeirauschen kann. Die Formulierung in der Verwaltungsvorlage, dass es dem Radverkehr vorbehalten sei, auf der Fahrbahn weiterzufahren, kann ich in diesem Zusammenhang nur als arrogant und zynisch zurückweisen.

Aber es geht weiter, denn die Planer:innen versuchen sich an der Ausweisung eines Radfahrstreifens. (Anmerkung der Redaktion: Aus dem folgenden Satz wurde die im Original vorhandene Polemik entfernt) Der Radfahrstreifen weist aber nicht einmal das geforderte Mindestmaß von 2,35 m auf, geschweige denn die von der Unfallforschung der Versicherer (UDV) im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) geforderten Mindestbreite von 2,60 m [[2],[3]]. Dabei sei angemerkt, dass die UDV bereits 2018 ermittelt hat, dass Radfahrer:innen Radschutz- sowie Radfahrstreifen als unsicher empfinden [[3]]. (Anmerkung der Redaktion: Aus dem folgenden Satz wurde die im Original vorhandene Polemik entfernt) Und jeder Verwaltung sollte doch klar sein, dass neue Radverkehrsteilnehmer:innen nur gewonnen werden, wenn diese die Radwege als sicher empfinden. Warum aufgrund dessen bei der Celler Straße nicht gleich von Beginn an ein geschützter Radfahrfahrstreifen geplant wurde, ist nicht nachvollziehbar. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf Hamburg: Die Hansestadt ist offensichtlich in der Lage aus den Fehlern vergangener Planungen zu lernen und ersetzt Radfahrstreifen nach und nach durch ihre geschützten Varianten [[4],[5],[6]].

Im Beschluss zum Leitbild Mobilität 2030 ist das Ziel formuliert, den Anteil des Radverkehrs am Modal Split bis zum Jahr 2030 von 10 % auf 20 % zu verdoppeln. Wie soll dies mit Radwegen gelingen, die als unsicher empfunden und daher nicht genutzt werden? Dass die Ziele des Leitbilds Mobilität 2030 berücksichtigt worden seien, wie es in der Verwaltungsvorlage zur Celler Straße heißt, kann daher nur als unverfrorene Lüge bezeichnet werden.

Aber die Verwaltung hat im letzten Jahr bereits gezeigt, dass für sie Komfort gar keine und Sicherheit nur oberflächlich eine Rolle spielen. Anders kann ich mir die Neuinterpretation zum niveaugleichen Ausbau des gemeinsamen Rad- und Fußwegs Gamsen-Kästorf und die Ignoranz in Bezug auf die Sicherheit der Fußgänger:innen und Radfahrer:innen auf dem gemeinsamen Rad- und Fußweg Konrad-Adenauer-Straße nicht erklären.

Für die Verwaltung zählt indes etwas anderes: die Erreichung der Zielvereinbarung Z-23-10 mit dem Titel „Bis zum 31.12.2026 werden Fahrbahndecken von Hauptverkehrsstraßen in einer Größenordnung von mindestens 40.000 m² erneuert.“ Wenn der Verwaltung tatsächlich an der Umsetzung des Leitbildes Mobilität 2030, des Radverkehrskonzepts und des Verkehrssicherheitskonzepts gelegen wäre, dann würde sie entsprechende Ziele quantifizieren und diese in die Zielvereinbarungen aufnehmen. (Redaktionelle Änderung: Polemiken wurde entfernt)

Würde die Verwaltung allein daran bemessen, wie viele Worte sie macht, mit den ganzen Konzepten, die sie für viel Geld von externen Planungsbüros erstellen lässt, Gifhorn wäre eine der Vorreiterinnen in der so notwendigen Verkehrswende. Allein, Herr Bürgermeister, Sie und die Verwaltung vermögen es nicht auch nur annähernd angemessene Taten auf die beschlossenen Konzepte folgen zu lassen. Ganz im Gegenteil planen sie wie gezeigt gegen die beschlossenen Ziele. Wie hatten Sie gleich nochmal vor, Gifhorns Beitrag am Pariser Klimaabkommen umzusetzen?

Im Gegensatz zum Verkehr, wo die Stadt nur zögerlich ihren Beitrag zum Ziel „Vision Zero“ leistet, darf für den Haushalt 2023 der Stadt Gifhorn festgestellt werden, dass keinerlei Vision, d.h. roter Faden, den Haushaltsentwurf trübt. Trübe ist allerdings meine Hoffnung geworden, Herr Bürgermeister, dass die Verwaltung unter Ihrer Führung Entscheidendes zur Umsetzung des Leitbildes Mobiliät 2030 im Allgemeinen und des Radverkehrskonzepts wie zukünftig auch des Verkehrssicherheitskonzepts im Speziellen beitragen wird.

Den Haushalt lehne ich selbstredend ab.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

[1]] [Ratsinformationssystem – X/0316](https://gifhorn.more-rubin1.de/vorlagen_details.php?vid=1000311100345)

[[2]] [15. RADforum Rhein-Main – ERA 2010](https://web.archive.org/web/20190331075107if_/https://www.region-frankfurt.de/media/custom/2005_431_1.PDF)

[[3]] [GDV – Sicher­heit von Rad­fahr­strei­fen und Schutz­strei­fen](https://www.udv.de/udv/themen/sicherheit-von-radfahrstreifen-und-schutzstreifen-81750)

[[4]] [Hamburg – Protected Bikelanes](https://www.hamburg.de/contentblob/16008774/0093cd0be099eb12d25c5be5b6eb37ef/data/flyer-protected-bikelanes.pdf)

[[5]] [Hamburg eröffnet Abschnitt der ersten „Protected Bike Lane“](https://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/15030824/2021-04-23-bvm-protected-bikelane/)

[[6]] [Hamburger Wochenblatt – Ausschuss stimmt für geschützte Fahrradspur](https://hamburgerwochenblatt.de/ausgabe-wandsbek/wandsbek/ausschuss-stimmt-fuer-geschuetzte-fahrradspur/)